CDU weist Kritik an Santelmann zurück

Den Beitrag entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach:

Notbremse ja, nein, doch, Krisenstab aufgelöst: Der Zickzack-Kurs von Landrat Stephan Santelmann bei der Bekämpfung von Corona stößt bei der Opposition im Kreistag auf Kritik. Dagegen verteidigt ihn die CDU „ihren” Landrat in allen Punkten, die verbündeten Grünen halten sich bedeckt. Wir dokumentieren die Positionen – und zeichnen die Chronologie nach.

Wir hatten Landrat Santelmann und die Fraktionen am Donnerstag um Stellungnahmen zum Gang der Entscheidungen rund um die Notbremse und den Krisenrat gebeten. Der Landrat hat bislang nicht reagiert, die Antwort der CDU kam am Samstagabend, die der SPD steht noch aus. Sie finden im Folgenden die Positionen von CDU, Grünen, FDP, Freien Wählern und der Linken.

Der Vorstand der CDU Rhein-Berg habe sich „hinter die von Landrat Stephan Santelmann ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Fortsetzung der erfolgreichen Bemühungen für einen schnellen Impffortschritt und gleichzeitigen Unterstützung von Wirtschaft und Einzelhandel” gestellt, teilte die CDU am Samstag in einer langen Stellungnahme mit.

Es sei „richtig, dass wir jegliche Möglichkeiten zur Unterstützung des Einzelhandels und der Wirtschaft ergreifen, die uns die Verordnungen und Gesetze bieten”, erklärt der Kreisvorsitzende Uwe Pakendorf. Daher sei es richtig gewesen, dass CDU-Mann Santelmann „in der Zeit rund um Ostern, als die Inzidenz-Zahlen im Kreis im Vergleich zur Region noch weit unterdurchschnittlich waren, so massiv für ein Offen-Halten des Einzelhandels eingesetzt hat.”

Dass sich die Inzidenz im Kreis „innerhalb wochenfrist von etwas mehr als 100 so rasant der 200er-Marke genähert haben, war nur schwer vorherzusehen”, sagt der CDU-Kreisvorsitzende.

Die Chronologie

  • 26.März: Die Inzidenz liegt am siebten Tag in Folge knapp unter/über 100. Der Krisenstab warnt vor weiter steigenden Zahlen.
  • 31.März: Der Krisenstab berät mit Santelmann die Lage mit Blick auf die Ostertage und gibt eine Empfehlung für die Notbremse bei einer Inzidenz über 100 ab. An dem Tag liegt sie im Kreis bei 74.
  • 2.April, Karfreitag: Santelmann konferiert mit den Bürgermeister und kündigt nun an, die Notbremse doch durch die Testoption außer Kraft zu setzen
  • 6.April: Santelmann gibt per Pressemitteilung bekannt, bei einer Inzidenz über 100 die Notbremse greifen zu lassen und auf die Testoption zu verzichten.
  • 7.April: Bürgermeister Frank Stein ist von Santelmanns Kehrtwende überrascht. Die FDP im Kreistag kritisiert eine „Gutsherrenart im Kreishaus”.
  • 7.April, abends: Video-Konferenz des Landrats mit den Bürgermeistern.
  • 8.April: Santelmann erklärt, er werde die Notbremse nun doch durch eine Allgemeinverfügung lockern und die Test-Option wählen. Damit Handel und Gewerbe, Kultur und Sport „Luft zum Atmen“ bleibt”.
  • 8.April: Kreisdirektor Erik Werdel bittet Santelmann, von seinen Aufgaben als Leiter des Krisenstabs entbunden zu werden
  • 10.April: Die Inzidenz steigt wieder über 100.
  • 12.April: Werdel teilt den Fraktionschefs im Kreistag mit, er werde seine Aufgaben als Leiter des Krisenstabs ruhen lassen. Birgit Bär, Pressesprecherin des Kreises und des Krisenstabs sowie Büroleiterin des Landrats, bittet um eine andere Aufgabe. Santelmann gibt den Bitten von Werdel und Bär nach.
  • 12.April, abends: Das Land NRW verhängt für Rhein-Berg die Notbremse, gültig ab dem 14.4.
  • 13.April: Auf Nachfrage des Bürgerportals erklärt das Lagezentrum des Kreises, „eine nachhaltige signifikante Inzidenz über 100 ist nach hiesiger Auslegung bislang nicht gegeben“.
  • 14.April: Santelmann erlässt nach Genehmigung durch das Land eine Allgemeinverfügung zur Test-Option und löst die Notbremse damit wieder. Die Inzidenz liegt bei über 200.
  • 15.April: Santelmann gibt bekannt, dass die Arbeit von Kreisdirektor Werdel als Leiter des Krisenstabs „ruhend gestellt” sei. Der Krisenstab werde aufgelöst, seine Aufgaben in die normalen Strukturen der Kreisverwaltung integriert.
  • 15.April, abends: Santelmann und der Krisenstab beraten.
  • 16.April: Angesichts steigender Infektionszahlen und einer Inzidenz über 200 beantragt der Kreis beim Land, nun doch die Notbremse in Kraft treten zu lassen, ab dem 19. April. Das Land gibt dem statt.
  • 16.April: Bürgermeister Stein begrüßt die Entscheidung für die Notbremse.
  • 17.April: Die Kliniken in GL melden, dass die Intensivbetten komplett ausgelastet sind.
  • 18.April: Der Kreis meldet zum ersten Mal an einem Wochenende keine Fallzahlen an das Landeszentrum Gesundheit; das setzt den Wert 0 ein und berechnet automatisch eine Inzidenz, die damit offiziell auf 174 sinkt.

Natürlich sei es klare Position der CDU, „dass wir das Gesundheitswesen nicht überlasten wollen”, betont Pakendorf. Jedoch stehe „der Schutz des Gesundheitssystems leider mit dem Bekenntnis zum Schutz der Wirtschaft in einem Spannungsverhältnis und Zielkonflikt”.

Daher sei es genauso richtig, dass Santelmann „nun sehr kurzfristig nach der Allgemeinverfügung zum Offenhalten des Einzelhandels doch die Notbremse zieht”. Beide Maßnahmen seien nicht widersprüchlich, sondern „konsequent sowohl im Sinne der Wirtschaft wie auch des Schutzes unseres Gesundheitssystems”. 

Und auch die Entscheidung Santelmann, den Corona-Krisenstab schrittweise abzubauen und die Bekämpfung der Pandemie in die Hände der normalen Strukturen der Kreisverwaltung zu legen, findet die Zustimmung der CDU: „Soweit für die Umsetzung dieser Ziele Umstrukturierungen in der Arbeit der Kreisverwaltung notwendig sind, unterstützen wir unseren Landrat auch in dieser Frage! Dass der Erhalt der Handlungsfähigkeit der Verwaltung dabei nicht gefährdet werden darf, ist für uns selbstverständlich, jedoch kein Grund von der Umsetzung der Ziele abzusehen.“ 

Uwe Pakendorf, Kreischef der CDU. Foto: Archiv

Grüne: „Keine politisch zu bewertende Angelegenheit”

Die Fraktion der Grünen, die im Kreistag mit der CDU ein Bündnis bildet, stellt sich ebenfalls hinter Santelmann. Bei der Bekämpfung der Pandemie könne es „keine ‘beste’ Lösung geben, sondern es ist immer wieder ein verantwortungsbewusstes Abwägen gefragt”, erklärt Arne Meinhardt, der Geschäftsführer der Kreistagsfraktion.

Die Grünen bedanken sich ausdrücklich bei Kreisdirektor Erik Werdel für seine Arbeit als Leiter des Krisenstabs. In der Mitteilung des Landrats zur Umstrukturierung des Krisenstabs und in der Stellungnahme der CDU wird er dagegen nicht erwähnt.

Auch die Grünen halten es für „verständlich, dass die Kreisverwaltung bestrebt ist, die Aufgaben des Krisenstabes in die laufenden Prozesse einzubinden”. Die Aufgabenverteilung innerhalb der Verwaltung sei „keine politisch zu bewertende Angelegenheit”. Die Fraktion sei aber „überzeugt, dass die Verwaltung den anstehenden Aufgaben gewachsen ist”.

SPD: Keine klare Linie

SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn hatte bereits am Donnerstag im Kölner Stadt-Anzeiger kritisiert, dass es „angesichts der sehr hohen Inzidenz keine klare Linie beim Kreis“ gebe. Diese sei aber dringend erforderlich. Eine Anfrage des Bürgerportals zu einer ausführlichen Stellungnahme wurde bislang nicht beantwortet.

FDP: „Planlos und unüberlegt”

Die Freien Demokraten kritisieren Santelmanns Kurs erneut deutlich. Das Krisenmanagement sei „nicht gut, die Kreisverwaltung agiert planlos und unüberlegt, eine langfristige Strategie ist nicht erkennbar”, urteilt Fraktionschef Alexander Engel. In Anbetracht der hohen Inzidenz brauche der Kreis eine handlungsfähige Kreisverwaltung um sicher durch die Krise zukommen.

Die FDP hält Santelmann zudem vor, den Kreistag nicht ausreichend zu informieren. Zudem werde „die langfristige Krisenstrategie in keinem politischen Gremium beraten, die Einbeziehung der Politik findet faktisch nicht statt”. Die längerfristigen strategischen Entscheidungen müssten jedoch gemeinsam mit den politischen Verantwortungsträgern getroffen werden, nur so kann könne die Akzeptanz der Bevölkerung sichergestellt werden.

Die Auflösung des Krisenstabs und die Integration in die bestehenden Verwaltungsstrukturen sehe die FDP kritisch, sagt Engel: „Um die schnelle Reaktionsfähigkeit und Agilität in einer volatilen Krisensituation zu gewährleisten brauchen wir einen Krisenstab.”

Freie Wähler: „Weder sinnvoll noch zielführend”

Auch die Freien Wähler befürworten im Grundsatz die Testoption (Einkaufen mit tagesaktuellem Test), wie ihn Santelmann durch das Aussetzen der Notbremse zunächst ermöglicht hatte, erklärt der Fraktionsvorsitzende Werner Conrad.

Auch die Freien Wähler loben Kreisdirektor Werdel für seine Arbeit an der Spitze des Krisenstabs. Vom Rücktritt seien sie überrascht worden, über die Gründe seien ihnen nicht bekannt. Die Auflösung des Krisenstabs sei weder sinnvoll noch zielführend. Es entstehe der Eindruck einer Notlösung.

Bislang sei die Fähigkeit des RBK rasch und angemessen zu reagieren „aus unserer Sicht absolut gegeben. Ob das jetzt mit der Integration der Aufgaben zur Pandemiebekämpfung in die normale Verwaltung unter Leitung von Herrn Santelmann so bleibt, muss abgewartet werden,” sagt Conrad. Er wolle jedoch nicht Santelmanns Kompetenz oder Engagement in Frage stellen.

Linke: „Auflösung Krisenstab nicht nachvollziehbar”

Für die Gruppe der Linken im Kreistag befindet Peter Tschorny, dass nach dem vielen Hin und Her den Bürger:innen die Politik des Kreises nicht mehr zu vermitteln sei, sie verlören das nötige Vertrauen in die Maßnahmen.

Es gehe um die Gesundheit und das Leben von Menschen. Das zu relativieren könne „im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein”. Dem Handel und Gewerbe „Luft zum Atmen“ (wie es in der Erklärung des Landrats nach der Einigung mit den Bürgermeistern hieß, „dürfte Patienten, die auf Intensivstationen beatmet werden, sowie deren Angehörige und Behandler, als einen Hohn empfinden”.

Der Krisenstabs unter Werdel arbeite seit einem Jahr unter hohem persönlichem Einsatz. Wenn er nun erleben musste, dass die Notbremse trotz exponentiell steigender Fallzahlen und ausgelasteten Intensivstationen gelockert wurde, sei es nachvollziehbar, dass Werdel sein Amt als Leiter des Krisenstabs niederlege, urteilt Tschorny.

Das bedeute jedoch einen großen Einschnitt für das Corona-Krisenmanagement. Auch die Kreisverwaltung seit durch die Pandemie schon lange überbelastet; daher sei nicht nachvollziehbar, wie sie ohne Krisenstab diese Belastungen bewältigen könne.

„Wir brauchen gerade jetzt ein gut funktionierendes Krisenmanagement, und wir brauchen gut informierte Bürger:innen, die das Verständnis und die Bereitschaft aufbringen, schnell greifende Maßnahmen zu akzeptieren und mit umzusetzen, die aus wissenschaftlicher – nicht nur aus politischer – Sicht wirksam sind”, argumentiert Tschorny. Ohne den Krisenstab sei ein rasches und angemessenes Reagieren der Kreisverwaltung in Frage gestellt.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Heidbüchel
    • 19.04.21, 11:14 Uhr

    Statement eines einfachen Bürgers ohne Parteipolitischen Hintergrund ; ist das nicht verrückt, um Corona in den Griff zu bekommen, haben doch alle genug zu tun. Aber jetzt müssen
    bestimmte…… ihr Ego bedienen und denken nicht an die Bürger. Ich finde das Erbärmlich und habe dafür absolut kein Verständnis dafür.
    Den Krisenstab einzustellen und das in Händen der Verwaltung zu legen halte ich für kontraproduktiv und nicht sinnvoll. Der Bürokratismus hat die Verwaltung wider eingeholt und das ist für mich nicht nachvollziehbar.

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