Osterspuren

Ein Wort zum Ostermontag, dem 5. April 2021 

VON CORNELIA SENG

Hier in Kassel bin ich häufig im Bergpark unterwegs. Oft komme ich am Musikpavillion vorbei. Im Sommer finden hier sonntags um 9 Uhr Gottesdienste – Open Air – statt. Sie sind in der Regel gut besucht. Auch wir gehen gerne hin, nicht nur in Zeiten der Pandemie. Aber im vergangenen Jahr haben wir sie besonders geschätzt. Mitten in der Natur zu sitzen bei einem Gottesdienst, ist einfach wunderbar. Ein älters Ehepaar bringt gern seinen kleinen Hund mit. Er liegt andächtig unter ihrem Platz. Wechselnde Musiker und Musikerinnen gestalten den Gottesdienst mit. Die Musik schallt weit in den Park hinein. In der Stille des Morgens ist sie besonders gut zu hören. Manchmal bleibt ein sportlicher Läufer stehen und hört interessiert zu. 

Diese Gottesdienste im Bergpark gibt es schon mehr als fünfzig Jahre. Mein Vater war damals im Kirchenvorstand der Gemeinde und führte das Protokoll. Während der Sitzung schrieb er mit der Hand sofort in das dicke Protokollbuch. Kurz vor Schluss der Sitzung stellte der junge Pfarrer den Antrag, diese Frühgottesdienste im Bergpark einzuführen. Die Mehrheit des alternden Kirchenvorstandes war skeptisch. Neues? Der Antrag fand keine Mehrheit. Aber es war schon spät, und mein Vater war ziemlich müde. Aus Versehen verdrehte er das Abstimmungsergebnis: „Mit knapper Mehrheit angenommen“, schrieb er. In der nächsten Sitzung wurde das Protokoll verabschiedet, keiner merkte etwas, und der junge Pfarrer hielt fortan Gottesdienste im Bergpark. Seitdem finden sie statt, und in diesen mehr als fünfzig Jahren haben sie gewiss schon viele Menschen getröstet und erfreut. Der damals junge Pfarrer war später Prälat in Kassel und hat die Geschichte auf der Beerdigung meines Vaters erzählt. 

Mir fällt dazu das Wort von Dietrich Bonhoeffer ein: „Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.“ Mit einem Fehler hat Gott Geschichte geschrieben, Kirchen- und Gemeinde-Geschichte in Kassel, auch gegen die alten, festgefahrenen Gleise. Der Fehler meines Vaters wirkt noch in unsere Zeit hinein und erfreut und ermutigt auch mich. 

Ist das eine Ostergeschichte? Eine klitzekleine?

Denn Ostern ist ja noch weit mehr passiert. Jesus ist auferstanden! Selbst der Tod kann Gott nicht aufhalten. Er setzt seine Absichten in der Welt durch, selbst gegen den Tod.

„Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“, ruft der Apostel Paulus begeistert aus (2.Kor. 5,17). Gott wird die Erde verwandeln. Wir gehen in eine neue Zeit hinein! Ihre Spuren sind schon jetzt zu finden unter uns, oft bleiben sie uns verborgen. Wir dürfen gespannt sein.

Allen ein frohes Osterfest!

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Ida Hömmken-Keil
    • 05.04.21, 2:47 Uhr

    Liebe Cornelia, was für ein wunderbares und wertvolles Protokoll. Es bestärkt mich, mich auf Situationen einzulassen, die im Moment nicht richtig erscheinen und die sich kurze Zeit später als bessere Lösungen erweisen (vielfach erlebt). Vielen Dank 🙏

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    • Maren Meyer-Stoll
    • 05.04.21, 12:12 Uhr

    Herzlichen Dank für diese aufmunternde Kolumne! …wird weitererzählt.

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