Anstoß zur Debatte und Erinnerung: Initiative benennt Hindenburgplatz neu

Die „Erinnerungspolitische Initiative Bergisch Gladbach“ wurde aktiv

Den Beitrag über eine bemerkenswerte Initiative in der Kreisstadt entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach:

Bergisch Gladbach | Eine Initiative geschichtsbewusster junger Menschen hat den Hindenburgplatz in Bensberg symbolisch umbenannt: Sie überklebte die Straßenschilder mit einem neuen Namen und erinnert damit zugleich an eine junge Frau, die vor 25 Jahren von einem rechtsextremen Serienmörder in Bergisch Gladbach umgebracht worden und weitgehend in Vergessenheit geraten war. Der Bürgermeister reagiert umgehend.

Der Hindenburgplatz und der benachbarte Deutsche Platz in Bensberg werden in den kommenden Monaten neu gestaltet, eine echte Debatte über die Namen und die dort versammelten Denkmäler kommt trotz der Impulse einiger Bürger nicht richtig in Gang.

Daher haben jetzt „ein paar junge Menschen aus Bergisch Gladbach“ die Initiative ergriffen und den Hindenburgplatz eigenmächtig und symbolisch in „Patricia-Wright-Straße“ umbenannt.

Der Hindenburgplatz und der Deutsche Platz liegen unmittelbar nebeneinander zwischen Gladbacher und Kölner Straße; siehe Karte unten

Damit fordere die „Erinnerungspolitische Initiative Bergisch Gladbach“ eine „kritische Auf- und Überarbeitung des deutschen Platzes und des Kriegerdenkmals“, heißt es in einer anonymen Mitteilung an das Bürgerportal.

Die Initiative macht zugleich auf Patricia Wright aufmerksam, die am 3. Februar 1996 in ihrer Wohnung in Hand durch den rechtsextremen Serienmörder Thomas Lemke brutalst vergewaltigt und ermordet worden war. Die 23-Jährige hatte sich mit einem „Nazis raus“-Sticker auf der Jacke positioniert.

Hinweis der Redaktion: 1996 hatten auch überregionale Medien berichtet (SpiegelWelt). Vor kurzem gab es im „Lotta Magazin“ einen ausführlichen Rückblick 25 Jahre nach der Ermordung von Patricia Wright, mit einer Einordnung in die aktuelle Politik und Kritik der lokalen Berichterstattung.

Patricia Wright ist offiziell als Opfer rechtsextremer Gewalt anerkannt, es fehle aber „jegliches öffentliches Gedenken“ in Bergisch Gladbach, kritisiert die Initiative.

Im Zentrum der Aktion der „Erinnerungspolitischen Initiative“ steht jedoch die Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Bedeutung von Hindenburg und der in Bensberg stehenden Kriegerdenkmäler.

Die Initiative greift eine Pressemitteilung der Stadt Bergisch Gladbach auf, die im Rahmen der Bürgerbeteiligung bei der Neugestaltung des Platzes Kinder aufgefordert hatte, für den dortigen Spielplatz unter dem Motto „internationales Spielen” Wünsche zu äußern.

Die Gruppe zitiert eine Mitstreiterin: „Eine Ausschreibung zum ‘internationalen Spielen’ ist unerträglich, wenn dies im Schatten eines Denkmals für deutsche Täter stattfinden soll. ‘Treue um Treue’ prankt noch immer auf der Säule am Deutschen Platz, obwohl dieser Spruch selbst von der Bundeswehr 2014 verboten wurde, da er mit den Fallschirmjägern der Wehrmacht assoziiert wird.”

Die Wahl des Namensgebers (Reichspräsident Paul von) Hindenburg wird kritisiert, weil er nicht nur „den Nationalsozialismus besiegelt” habe, sondern auch „wie kein Zweiter für einen preußischen Militärkult steht, der völlig aus der Zeit gefallen ist”.

Bürgermeister Stein bietet Gespräch an, aber …

Bürgermeister Frank Stein reagierte schnell auf die Aktion. Die Initiative, an eine „historisch zwiespältige Person” nicht mit einem Straßennamen zu erinnern, sei „sicherlich ehrenwert“. Allerdings sei die kontroverse Diskussion über den Hindenburgplatz im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt bereits 2013 ausführlich geführt worden.

Mit dem Ergebnis, den Namen beizubehalten, schreibt Stein in einer Stellungnahme. Den 40 Parteien, die unter diese Adresse gemeldet seien, sollte keine Adressänderung zugemutet werden. Parallel sei aber beschlossen worden, durch ein Zusatzschild auf den geschichtlichen Hintergrund zu verweisen.

Stein stellt auch klar, dass die Stadt eine eigenmächtige Umbenennung nicht hinnehmen könne und den aufgeklebten neuen Straßennamen entferne werde. Es stehe der Initiative frei, mit den Fraktionen Kontakt aufzunehmen oder selbst einen Antrag im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden zu stellen.

Mehrfache Anläufe zu einer breiten Debatte

Über die Anträge der Linken im Stadtrat hinaus hatte es in der Bürgerschaft in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche gegeben, die Namensgebung zu problematisieren und zu diskutieren. Sie blieben jedoch ohne größere Resonanz.

Zuletzt hatte Klaus Hansen das Thema und die Behandlung durch die Stadt Bergisch Gladbach gründlich aufgearbeitet; zuvor hatte Engelbert M. Müller den Platz und die Denkmäler kritisch in Augenschein genommen.

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