Autoritäre Dynamiken

Neue „Mitte-Studie“ erschienen

Die Heinrich-Böll-Stiftung und die Otto Brenner Stiftung teilen mit: „Die Leipziger Studien zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland werden seit 2002 alle zwei Jahre von einer Arbeitsgruppe um Oliver Decker und Elmar Brähler der Universität Leipzig durchgeführt. Die aktuelle Leipziger Autoritarismus-Studie basiert auf einer repräsentativen Erhebung mit 2.503 Befragten.

Zunächst als »Mitte«-Studien der Universität Leipzig bekannt geworden, liegt seit 2018 der Schwerpunkt auf der Untersuchung autoritärer Dynamiken. Antisemitismus, Ethnozentrismus und Antifeminismus sind zudem im Fokus. Die kontinuierlichen Erhebungen und Auswertungen ermöglichen seit fast 20 Jahren empirisch gesättigte Debatten über die jeweilige gesellschaftliche Stimmung im Land. Die Publikationen liefern seit Jahren wichtige Beiträge für eine breite und fundierte gesellschafts-politische Diskussionen – auch in unruhigen Zeiten helfen ihre analytischen Tiefenbohrungen beim Erklären aktueller Fragen und unterstützen uns beim Deuten gesellschaftlicher Entwicklungen.

Die aktuelle Studie zeigt: Autoritäre, extremistische Einstellungen bleiben eine beständige Bedrohung für die offene, demokratische Gesellschaft. Auch wenn sich die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen insgesamt zwar reduziert hat, haben sich aber gerade bei rechtsextrem eingestellten Personen neonazistische Ideologien verfestigt, wie sie etwa in der Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur oder von Antisemitismus zum Ausdruck kommen. Hinzu kommt, dass ethnozentrische Einstellungen, Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit auf einem hohen Niveau verbleiben. Die Polarisierung in der Gesellschaft scheint sich verfestigt zu haben. Für die politische Bildung ist und bleibt die Auseinandersetzung mit rassistischen, chauvinistischen und extremistischen Einstellungen ein wichtiges Handlungsfeld.

Nicht nur die besonders dramatischen Ereignisse in Halle und Hanau, sondern auch die vielen fast schon alltäglichen politisch-ideologisch motivierten Gewalttaten im Land sollten uns mahnen: Einen Gewöhnungseffekt an solcherart Gedankengut darf es nicht geben. Es bedarf vielmehr des demokratischen Widerstands und einer demokratiefördernden politischen Bildung für die Zukunft des Landes, der Institutionen und der offenen Gesellschaft. Die Herausforderungen sind unübersehbar. Seien es Gedankenlosigkeit, mangelnde politische Reflexion oder gar stillschweigende Tolerierung, wenn bei den COVID-19-Protesten Rechtsextremisten ungehindert mitmarschieren. Seien es Angriffe auf eine freie Presse, Anfeindungen gegen oftmals ehren- amtliche Politiker und Politikerinnen oder Künstler und Künstlerinnen oder Übergriffe gegen diverse Menschen: Die Radikalität einer enthemmten Minderheit bedroht das Gesellschaftsmodell einer offenen Mehrheit, und diese Mehrheit darf diese Bedrohung nicht länger ignorieren. Die Zivilgesellschaft muss ihrer Rolle als Hort der Demokratie gerecht werden. Positive Erfahrungen der Beteiligung, Solidarität und Anerkennung sind dabei wesentliche Bausteine einer demokratiestärkenden Arbeit.

Dies gilt über den rein politischen Bereich hinaus, denn viele demokratische Enttäuschungen sind erst im Kontext der früheren und der sich abzeichnenden Umwälzungen in der Arbeitswelt zu sehen. So kann die Studie erstmals zeigen, dass demokratische Enttäuschungen – aber auch demokratische Resilienzen – eng mit Partizipations- und Beteiligungserfahrungen (oder deren Ausbleiben) am Arbeitsplatz zusammenhängen. Daher ist neben dem gesellschaftskulturellen stets auch der Bereich der Wirtschaft als wichtiger Ansatzpunkt mit zu denken, wenn den neuen autoritären Dynamiken demokratische Standfestigkeit entgegengesetzt werden soll. Die aktuelle Studie wurde von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung unter- stützt. Sie bietet wichtige empirische Evidenzen zur Weiterentwicklung der politischen und gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Wir hoffen, dass die Studie zudem zu einer informierten Diskussion und einer die Demokratie stärkenden gesellschaftspolitischen Debatte beiträgt.“

Die Studie zum Download: www.boell.de/de/leipziger-autoritarismus-studie

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