Schade

VON WOLFGANG HORN

Den zweiten Lockdown dürfe man auf keinen Fall ausrufen. Kaum ein Satz ist derzeit häufiger zu hören oder zu lesen in den Medien, den Zeitungen oder in Facebook und Co. OK. Aber dann muß man erstens auch die entsprechenden Signale an die Menschen senden, ihnen die erforderlichen Informationen geben, dann Entscheidungen treffen, die das Verhalten lenken und schließlich muß man Fehlverhalten auch sanktionieren. Und: Auch im föderal organisierten Staat sollte es weitgehend einheitliche Regelungen im ganzen Land geben. Das wird verstanden und das krämerische Suchen nach Sonderregelungen für vermeintliche Sonderfälle oder Sonderländer findet weniger Nahrung.

Es geht darum, die Menschen, alle, zu informieren, zu motivieren, sich an die ausgerufenen Regeln zu halten, sie zu stärken, durchzuhalten, bis das Virus kaum mehr Chancen hat, sich zu verbreiten, auch darum, sie zu befähigen, jenen entschieden entgegenzutreten, die sich der nationalen Solidarität entgegenstellen, die Partikularinteressen vor das Gemeinwohl stellen, die persönliche Lust vor die Verantwortung für den Nächsten, den Nachbarn, den kranken Verwandten.

Bisweilen wird mit der Einschränkung von Rechten und Grundrechten das Ausscheren aus der Solidarität nein, nicht begründet, sondern garniert. Das allerhöchste, allererste Recht, das man Menschen nehmen kann, ist aber das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. An dieses Recht reichen die wahrlich wichtigen Rechte und Interessen gesellschaftlicher Gruppen nicht heran, weder die der Wirtschaft, des Tourismus, der Gastronomie, auch nicht die Interessen des Sports, der Kultur oder der Bildung und der Wissenschaft. Alle diese und viele weitere gesellschaftlichen Interessen und Gruppierungen müssen unbedingt beachtet werden und verdienen große Aufmerksamkeit und Regelungen, die ökonomische und soziale Katastrophen vermeiden. Aber sie rangieren allemal hinter dem Recht auf Gesundheit vor allem der Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben zu erkranken, solcher, die eine Vorerkrankungen haben, oder behinderter Mitbürger.

Diese Klarheit, diese Stringenz lassen auch die Ministerpräsidenten vermissen, die sich mal wieder nicht auf weitgehend einheitliche Regelungen einigen konnten und stattdessen auf Sonderrechten für ihre jeweiligen Länder beharrten. Niemand kann derzeit auf Anhieb sagen, was in den einzelnen Bundesländern geplant ist, wenn die beiden Gefährdungsmarken von 35 oder 50 in kreisfreien Städten oder Landkreisen gerissen werden. Wenn man erst einem Vademecum, einem Handbuch entnehmen muß, was unter konkreten Umständen an einem bestimmten Ort an Kontakten und Verhaltensweisen erlaubt ist und was verboten, verhindert man Einsicht und auch Zuversicht. Keiner der beteiligten Politiker will die Quertreiber und Verschwörer, die Aluhüte und Sonderlinge fördern. Aber sie, die verantwortlichen Politiker tragen mit dieser Uneinheitlichkeit dazu bei, daß dieser gesellschaftliche Bodensatz nicht kleiner wird. Schade.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.