Schandfleck. Eine Farce

VON WOLFGANG HORN

Schandfleck. Ein aus dem Mittelhochdeutschen stammendes Wort, gebraucht, um etwas zu beschreiben, das unansehnlich ist, dessen äußere Facon nicht zur Zierde gereicht, einen Makel darstellt. Zusammengesetzt aus Schande und Fleck und ursprünglich Schantvlecke geschrieben. Kein Fleck also einer Substanz, Fett, Blut, Öl, Gras, Tinte oder Schweiß, sondern ein Fleck, ein Ort, der zur Schande gereicht, weil er unpassend ist, verdorben, übel, verkommen, nicht angepaßt, nicht gepflegt wird, zur Umgebung in Widerspruch steht, den Wert der Nachbarschaft herabsetzt.

Die Industriebrache am Rande der Innenstadt, das Rhombus-Gelände, ist in der Tat ein Schandfleck in der und für die Stadt. Zerfallend die ehemaligen Fabrikationsgebäude, nicht einmal mehr Ruinen, sondern allenfalls hoffentlich ungiftiger Bauschutt; vom Untergrund weiß niemand wirklich Genaues. Befinden sich dort Schadstoffe aus der Galvanisierungstechnik? Andere Gifte? In welchem Ausmaß? Hält die Bodenabdichtung, ist sie für Investitionsvorhaben zureichend?

Von den 41 Jahren, die ich nunmehr in Wermelskirchen lebe, habe ich die allerlängste Zeit, nämlich 34 Jahre, in der Hagenstraße zugebracht, genau gegenüber der Zufahrt zum Rhombus-Gelände. Schöner ist dieses Areal in all den Jahren nicht geworden. Die Eigentümer, so hörte man immer mal wieder, konnten sich nicht einigen, wie man die große Fläche am Rande der Innenstadt nutzen könnte. Kaufen wollte das Gelände ebenfalls niemand, vermutlich wegen der Unsicherheiten in Bezug auf den Untergrund und seine Verfassung. Aber periodisch geisterten Gerüchte durch die Stadt, jetzt habe man die ultimative Eingebung für die Verwendung dieses räumlichen Filetstücks für die Stadtentwicklung von Wermelskirchen erhalten. Und immer wieder: Nichts. Keine Eingebung. Keine ultimative Idee. Bis zum nächsten Mal.

Und dann, auf einmal, war alles anders als zuvor: Bürgermeister Rainer Bleek hatte, wie die SPD heute auf Ihrer Homepage schreibt, zusammen mit seiner Verwaltung Fördermittel in Millionenhöhe an Land gezogen im Rahmen des Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts (IEHK). Ein Quartier wollte man dort entwickeln, Innovationsquartier mit Technologie, Forschung, Dienstleistung, Wohnen oder ein Innenstadtquartier mit Dienstleistungen, sozialen Einrichtungen und ebenfalls Wohnraum. Im Grunde gleichgültig, welche der beiden ins Auge gefaßten Ausrichtungen am Ende hätten verwirklicht werden sollen: jede Lösung ist besser als der jahrzehntelange Zustand als Brache mitten in einer Stadt, in der auch eine Debatte über fehlenden familienfreundlichen Wohnraum geführt wird, über mangelnde Arbeitsplätze im Kontext der Entwicklung digitaler Angebote für die moderne Gesellschaft.

Jetzt, da die Stadt erforderliche Vorleistungen erbracht hat, ein Kaufangebot unterbreitet, jetzt, da es be-greifbare Grundüberlegungen gibt, jetzt hört man abermals aus den Reihen der Eigentümergemeinschaft: Nö. Nichts Neues also in Wermelskirchen. Die Eigentümer übernehmen wieder ihre bewährte Regie, die schon seit wievielen Jahren nichts Produktives zustande bekommen hat? Die Farce um ein Schandmal. 

Sieht irgendjemand in der Stadt einen Zusammenhang mit den Kommunalwahlen im Herbst? Sollen mit dem einstweiligen „Nö“ die Kaufpreisvorstellungen in Bewegung gebracht werden, nach oben selbstredend? 

Die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger haben die über Jahrzehnte brachliegende und verrottende Industriefläche inmitten der Innenstadt weiß Gott nicht verdient. Die Bürger haben den Schandfleck nicht verursacht. Die Verwaltung der Stadt ebenfalls nicht. Es wird hohe Zeit, daß die Eigentümer handeln, nicht nur verhandeln. Im Interesse der Stadt. Im Interesse des Gemeinwesens. Ansonsten müßten Politik und Verwaltung endlich einmal gemeinsam und zupackend deutlich machen, daß hier ureigenste Stadtentwicklungsinteressen betroffen sind.

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