Ich kann es nicht mehr hören

VON WOLFGANG HORN

Ich kann nicht mehr zuhören, wenn in den Medien, im Netz, in Hörfunk und Fernsehen, in Zeitungen und Zeitschriften, Blogs oder in Facebook und Co. Sterneköche, Politiker, Lobbyistinnen, Handwerker, Hotelbesitzer, Soziologen, Landschaftsgärtner, Ministerpräsidenten, Gastronomen, Parteifunktionärinnen oder Journalisten Medizinern, Epidemiologen oder Virologinnen und ihren Instituten vorwerfen, daß sie Wissen und Erkenntnisse über das Coronavirus anhäufen und sich somit Ratschläge und Handlungsanweisungen an Politik und Publikum ändern und verbessern. Hier findet ein entsetzliches öffentliches Elitenbashing statt und mithin eine enorme Verunsicherung des Publikums. Und das alles, weil es eigentlich um die Durchsetzung von Partikularinteressen geht, zuvörderst um wirtschaftliche Belange. Nicht die Kultur oder die Künstler, nicht die Kinder oder ihre Eltern, nicht die Lehrer oder Sozialarbeiter, nicht die Streetworker dröhnen, nicht Kassiererinnen, Busfahrer, Alten- und Krankenpfleger. Es sind vor allem jene, für die der Finanz- und der Wirtschaftsminister schon sehr früh ihre „Bazooka“ der finanziellen Unterstützung in Stellung gebracht haben, die jetzt drängen, sich überall zu Wort melden, mit eigenwilligen Interpretation von Zahlen überraschen und eines jedenfalls nicht zur Schau stellen: Zurückhaltung, Vorsicht, Nachdenklichkeit. Stattdessen Parolen. Bevormundung, Grundrechtsverletzung, Freiheitsberaubung. Drunter geht’s offenbar nicht mehr. Das Übliche in diesen Zeiten. Lautstärke ersetzt Einsicht, die krawallige Formulierung Nachdenklichkeit, Entschiedenheit Empathie. Es ist hohe Zeit für eine Renaissance der Kultur des Gesprächs, für die Wiederbelebung der Nachdenklichkeit, fürs Zuhören vor dem Reden und Behaupten.

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