Vor 85 Jahren: Zuchthaus für Kommunisten

Den Beitrag von Armin Breidenbach entnehmen wir dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid, dem Waterbölles:

VON ARMIN BREIDENBACH

Bereits 1969 – also vor 50 Jahren – hatte der kommunistische Widerstandskämpfer und ehemalige KPD-Landtagsabgeordnete von Nordrhein-Westfalen, Karl Schabrod, in seinem Buch „Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945“, auf sieben Prozesse gegen Remscheider Bürgerinnen und Bürger hingewiesen, die im „Dritten Reich“ Widerstand gegen das NS-Regime geleistet hatten. Wie viele Prozesse insgesamt gegen Remscheider Gegner des NS-Regimes geführt wurden, ist bislang unbekannt. Aber zumindest ein bedeutender Prozess gegen Remscheider Antifaschisten ist in Schabrods Auflistung nicht enthalten; es handelt sich hier um einen Massenprozess gegen Remscheider und Hückeswagener Kommunisten, die sich im Dezember 1934 vor dem III. Strafsenat des Sondergerichts Hamm, der damals in Wuppertal-Elberfeld verhandelte, wegen verschiedener politisch motivierter Gesetzesverstöße verantworten mussten.

Hauptangeklagter in jenem Prozess war der Arbeiter Willi Haines, in Hückeswagen ein führender Funktionär der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Haines war den Nationalsozialisten besonders verhasst, da er 1932 als Nebenkläger in einem Strafprozess gegen mehrere SA-Männer zugelassen war, die sich wegen der Erschießung von drei Hückeswagener Kommunisten vor Gericht verantworten mussten.

Unter der Überschrift „Zuchthaus und Gefängnis für ehemalige Remscheider Kommunisten“ berichtete der Remscheider General-Anzeiger in seiner Wochenend-Ausgabe vom 15./16. Dezember 1934 über das Urteil. Dem Artikel zufolge wurden 35 Angeklagte wegen Vorbereitung zum Hochverrat, die meisten auch wegen Vergehens gegen die Schusswaffengesetze und vier Angeklagte wegen Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz zu Freiheitsstrafen von 15 Monaten Gefängnis bis zu zwei Jahren und neun Monaten Zuchthaus verurteilt. Dem Artikel zufolge wurden insgesamt 21 Jahre und neun Monate Zuchthaus und 38 Jahre und sieben Monate Gefängnis verhängt. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen und das Verfahren gegen drei weitere Angeklagte eingestellt.

Von den Remscheider Angeklagten wurden 20 zu Gefängnisstrafen verurteilt: Karl Auel, Kurt Auel, Hermann Bohlscheid, Paul Brozulat, Karl Dächer jun., Paul Dächer, Karl Dehnert, August Dietsch, Karl von den Eicken, Karl Jatzek, Franz Köbernick, Hermann Konradi, Gustav Kriszun, Rudolf Luchtenberg, Otto Peiseler jun., Karl Rittershaus, Adolf Schnöring, Heinrich Seelig, Erich Thieler und Hugo Wirths. Zu Zuchthausstrafen wurden folgende neun Remscheider verurteilt: Erich Brückel, Wilhelm Elender jun., Willy (Wilhelm) Eppels, Friedrich Hermanns, Anton Knott, Paul Nusch, Heinrich Pauli, Hans Röhrig und Ernst Schiffmann. Die Remscheider Heinrich Klein und Art(h)ur Elender wurden im Prozess freigesprochen; gegen Walter von den Eicken, Otto Peiseler sen., August Uffelmann und Wilhelm Zimmer, ebenfalls alle aus Remscheid stammend, wurde das Verfahren eingestellt. Viele der namentlich genannten Angeklagten waren vor ihrer Verurteilung im Remscheider Polizeigefängnis in der Uhlandstraße inhaftiert, wo sie teilweise schwer gefoltert wurden, wie etwa Paul Brozulat, Paul Dächer, Friedrich Hermanns, Gustav Kriszun, Paul Nusch, Karl Rittershaus und Ernst Schiffmann; anschließend wurden sie in das berüchtigte Wuppertaler KZ Kemna überstellt, wo sie erneut misshandelt wurden.

Die Folterungen, die die Remscheider Kommunisten im Verwaltungsgebäude der Remscheider Polizei und anschließend im KZ Kemna erleiden mussten, wurden in der Anklageschrift des Oberstaatsanwalts in Wuppertal im Prozess gegen die Kemna-Wachmannschaften von 1948 anhand von zahlreichen Einzelfällen konkret dargestellt, hier ein Beispiel: „Der Kraftfahrer Paul Nusch wurde im August 1933 festgenommen und zunächst in Remscheid unter ganz erheblichen Misshandlungen durch Gestapobeamte vernommen. Dann lieferte man ihn gefesselt in das Lager ‚Kemna‘ ein. Hier wurde er sofort beim Verlassen des Wagens von verschiedenen angetrunkenen Wachmannschaften […] mit Schlagwerkzeugen aller Art verprügelt. Bei der Aufnahme der Personalien wurde er erneut misshandelt. […] Durch Schläge ins Gesicht verlor er mehrere Zähne. Dann schleppte man ihn, da er selbst nicht mehr in der Lage war zu gehen, in den Aufzug, übergoss ihn dort mit Wasser und schlug ihn auch noch mit den Wasserkannen. […] Als Nusch nach drei Tagen zu den anderen Häftlingen auf den Saal gelegt wurde, erkannten diese ihn nicht wieder, weil er durch die Misshandlungen völlig entstellt war.“

Alle Remscheider aus dem Prozess gegen Haines und andere überstanden zwar die Folterungen während der Untersuchungshaft und auch die anschließende Strafhaft, aber dennoch überlebten mindestens fünf von ihnen nicht das Ende des Zweiten Weltkriegs. Obwohl Hermann Bohlscheidt, Erich Brückel, Art(h)ur Elender und Franz Köbernick aufgrund ihrer Verurteilung aus politischen Gründen zunächst als „wehrunwürdig“ eingestuft worden waren, wurden sie im Laufe des Krieges zur Wehrmacht eingezogen und sind bei den Kämpfen oder in Gefangenschaft umgekommen. Willy Eppels, an den seit 2008 in Remscheid ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ erinnert, und der als Freiwilliger bei den Internationalen Brigaden am spanischen Bürgerkrieg teilnahm, ist bei den Kämpfen in Spanien 1938 gefallen.

Quellen: Breidenbach, Armin: Widerstand und Verfolgung in Remscheid 1933 – 1945. Remscheider Widerstandskämpferinnen und –kämpfer, Oppositionelle und Verfolgte, Hrsg.: Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Kreisverband Remscheid, IG Metall Verwaltungsstelle Remscheid und DIE GRÜNEN, Kreisverband Remscheid, Selbstverlag Armin Breidenbach, Berlin 1992 Historisches Zentrum Remscheid: verschiedene Bestände Mintert, David: „Ich höre noch die Schreie der Geschlagenen.“ Kemna. Das frühe Konzentrationslager und die bergischen Kleinstädte Hückeswagen, Radevormwald und Wermelskirchen, Hückeswagen 2006 Schabrod, Karl: Widerstand an Rhein und Ruhr 1933 – 1945, Hrsg.: Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969.

Beitragsfoto: Der Remscheider Karl Dehnert wurde in dem Massenprozess zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt © Historisches Zentrum Remscheid

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