Unternehmer helfen Unternehmern

Der Unternehmer Christian Lindner und ein Impulsvortrag in Wermelskirchen

VON WOLFGANG HORN

Im kommenden Jahr soll der erste „Unternehmertag“ in Wermelskirchen stattfinden, organisiert von der Marketinggesellschaft WiW. Das Motto: Neue Impulse für Ihre Zukunft. Ein anderes: Erfolgreich Gründen. Abendlicher Hauptredner und mit erkennbarem Stolz bereits jetzt angekündigt: Christian Lindner.

Ich habe mich wirklich redlich bemüht. Auf allen möglichen Seiten im Internet habe ich nachgeschlagen. Nirgends wird man wirklich fündig. Christian Lindner ist, so scheint’s, gar kein Unternehmer. Er ist “bloß” Politiker. Er war womöglich mal so etwas wie ein Unternehmer. Noch als Oberschüler am hiesigen Gymnasium hat er sich mit einer Marketingkrawatte verkleidet und einem Aktenköfferchen ausgestattet und dann eine Werbeagentur aufgemacht, die, so heißt es auf seiner Homepage, „die vor allem regionale Telefongesellschaften an den Markt begleitet hat“. Es ging nach eigenem Bekunden vor allem darum, sich seine „Träume selbst zu finanzieren“. Vermutlich ist damit der erste Porsche gemeint.

Mitte 2000, so kann man auf der Homepage nachlesen, hat er, 20 bzw. 21jährig, mit zwei Freunden sein zweites Unternehmen gegründet, das indes schon Ende 2001 Insolvenz anmelden mußte. Mehr ist im großen und weltweiten Netz nicht zu finden an unternehmerischen Erfahrungen des Christian Lindner. Eine Werbeagentur als Oberstufenschüler und ein mit Fördergeldern ausgestattetes Unternehmen, das nach nur ein paar Monaten in die Insolvenz ging und die Rückzahlung der Fördergelder schuldig blieb.

Ich frage es ganz ohne Häme: Qualifizieren ein paar Monate unternehmerischer Tätigkeit an der Schwelle zum Erwachsenenleben vor knapp zwei Jahrzehnten schon für eine Beratungs- und Vortragstätigkeit unter dem Titel „Unternehmer helfen Unternehmern“ in einem lokalen Marketingverband?

Oder geht es vielleicht gar nicht um den Unternehmer Christian Lindner? Sondern eher darum, dem rechtsliberalen Politiker Christian Lindner in seiner früheren Heimatstadt ein Podium zu bieten? Wahlkampf ist für einen Bundespolitiker eigentlich immer und die nächste Bundestagswahl kündigt sich bereits an.

Christian Lindner führt die FDP an. Er hat sie nach der Totalpleite bei der vorletzten Bundestagswahl, als sie es nicht mehr in das Bundesparlament schaffte, wieder belebt und seither konsequent auf einen rechtsliberalen Kurs eingeschworen. Paul Hünermund etwa, Professor an der Universität von Maastricht, verortet die Partei mittlerweile rechts von der CDU. Darüber kann man trefflich streiten. Wie überhaupt über den Liberalismus und seine diversen Spielarten. Christian Lindner hat eine Partei wiederbelebt, der man schon die Totenglöckchen geläutet hat. Aber sie ist im Kern die gleiche Partei geblieben, die sie bereits unter den gewesenen Vorsitzenden, Philipp Rösler, Guido Westerwelle oder Wolfgang Gerhardt, war: eine Partei für Freiberufler und mittelständische bis ganz große Unternehmen, eine Partei für Wirtschaftsinteressen.

Das ist an sich nicht zu kritisieren. Wenn man es denn korrekt avisiert. Wenn ein Marketingverband, und sei es ein lokaler, ein Unternehmertreffen organisiert, dann kann er auch Interessenverbände und politische Parteien einladen. Dann braucht man die Maskerade aber nicht, hier spräche ein Unternehmer zu einem Kreis von Unternehmern. Am 29. Februar des nächsten Jahres spricht ein sehr bekannter Politiker in seiner Heimatstadt zu einem Marketingkreis über Digitalisierung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • koetsu
    • 05.12.19, 13:18 Uhr

    Wenn man den Werdegang von so machen Politiker beleuchtet wird eins schnell klar, das mit Erreichen höherer Stufen der Karriereleiter proportional die Qualifikation abzunehmen scheint. Im Handwerk funktioniert das leider nicht so gut wie bei unseren Volksvertretern.

    Auch sehr schön in einigen Fachausschüssen unserer Stadt immer wieder zu beobachten. Wenn dort mal wieder ein hochpreisiges Gutachten in Auftrag gegeben wird, und man sich dann bei einer positiven Prognose einfach dagegen entscheidet, wie z.B. bei dem gegenläufigen Radverkehr in der Telegrafenstraße geschehen.

    Geldverbrennung geht auch im Dörfchen ganz gut 😉

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