Remscheider bei Kriegsbeginn 1939 festgenommen

Im KZ Sachsenhausen interniert

Den Beitrag von Armin Breidenbach entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid:

Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Gleichzeitig wurde im gesamten Deutschen Reich eine Verhaftungsaktion durchgeführt, die seit Mitte der 1930er Jahre mittels der „A-Kartei“ für den Kriegsfall vorbereitet worden war, um gefährliche politische Gegner des NS-Regimes, vor allem kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre, festnehmen zu können. Das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin hatte in den Nachtstunden des 31. August 1939 mit einem Blitztelegramm angeordnet, dass am nächsten Morgen ab 7 Uhr die unter der Chiffre AI Verzeichneten festzunehmen seien. Bei dieser reichsweiten Festnahmeaktion wurden schätzungsweise mehrere tausend „Reichsdeutsche“, das heißt, deutsche und österreichische NS-Gegner festgenommen. Die Häftlinge aus dem Bereich der Staatspolizei(leit)stelle Düsseldorf – dazu gehörte auch Remscheid – sollten in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt werden.

Zu den damals Festgenommenen gehörte auch Walter Opitz, der am 28. März 1910 in Berlin geboren wurde und mit seiner Familie nach Duisburg-Meiderich verzogen war. Von Beruf Polsterer, war er im „Verband der Sattler und Polsterer“ gewerkschaftlich organisiert; außerdem gehörte er zunächst der SPD an. Wann sich Opitz den Kommunisten angeschlossen hatte, ließ sich bisher nicht ermitteln. Fest steht jedoch, dass er vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 Leiter der Ortsgruppe Duisburg-Nord des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands war. Im November 1933 wurde er vor dem Oberlandesgericht Breslau wegen Vorbereitung zum Hochverrat zunächst zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt. Am 1. Oktober 1934 wurde er vor dem Landgericht Breslau zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt; diese Strafe und die vom Oberlandesgericht Breslau verhängte Strafe wurden zu einer Gesamtgefängnisstrafe von zwei Jahren zusammengezogen. Nach Strafverbüßung im Strafgefängnis Breslau wurde Opitz in „Schutzhaft“ genommen und in das KZ Buchenwald eingeliefert, aus dem er im August 1937 entlassen wurde. Anschließend war er bis zum 13. Juni 1939 wieder in Duisburg-Meiderich wohnhaft.

Wie eine Meldekarte belegt, wohnte Walter Opitz ab 15. Juni 1939 in der Scheider Straße in Remscheid, zumindest war er dort gemeldet. Die Gründe für diesen Ortswechsel sind nicht bekannt. Am 1. September 1939 wurde er erneut festgenommen; ob dies in Remscheid oder woanders geschah, ist nicht belegt. Zunächst im Landgerichtsgefängnis Duisburg in „Schutzhaft“, wurde er wenige Tage später in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt, wo er die Häftlingsnummer 008037 zugeteilt bekam.

Der über Walter Opitz geführten Wiedergutmachungsakte zufolge musste dieser „als politischer Häftling im Dezember 1939 mit entblösstem Oberkörper am inneren Tor des KZ.Lagers Sachsenhausen in Kniebeuge stehen“, wobei er sich eine Lungenentzündung zugezogen habe. Diese Tortur wurde damals „Sachsengruß“ genannt, wie der Berliner Kommunist Wolfgang Szepansky, der 1940 selbst „Schutzhäftling“ in jenem KZ gewesen war, in seinem Buch „Dennoch ging ich diesen Weg“ berichtete: „Die nächsten drei Stunden mußten wir in dem Gang zwischen den Baracken im ‚Sachsengruß‘ zubringen. Sachsengruß war die Bezeichnung für eine Kniebeuge, bei der die Hände im Nacken zusammengefaltet wurden, eine verhältnismäßig leichte Lagerstrafe. Drei Stunden in dieser Haltung reichten jedoch aus, die Glieder steif und unbeweglich zu machen. Den ganzen Tag in solcher Stellung zu verbleiben, war eine beträchtliche Quälerei, besonders wenn sie mit Essensentzug und Austreteverbot verbunden war.“

Der Duisburger Willi Plathner, ein Nachbar von Walter Opitz und ebenfalls im KZ Sachsenhausen inhaftiert, erinnerte sich: „Den SS-Leuten war er ein Dorn im Auge, weil er auch im KZ Widerstand organisierte. Die SS gab den Eingesperrten trotz schwerer Arbeit so wenig zu essen, dass sie ständig Hunger hatten. Eines Tages kam Walter Opitz an einem Lebensmittellager vorbei und nahm für sich und seine Mitgefangenen einen Kohlkopf mit. Als er den Kohlkopf gerade unter seiner Jacke versteckte, wurde er von der SS erwischt. Zur Strafe zwangen sie Walter im kalten Dezember mit nacktem Oberkörper eine Nacht im Freien zu stehen. Bewegte er sich, wurde er geschlagen. Nach dieser qualvollen Nacht bekam er eine schwere Lungenentzündung mit hohem Fieber. Seine Kameraden versuchten, ihn gesund zu pflegen – doch ohne Arzt und Medikamente gelang es nicht. Er starb am 27. Dezember 1939, ein paar Tage nach Weihnachten.“

In Duisburg-Meiderich erinnert seit einigen Jahren ein „Stolperstein gegen das Vergessen“ an Walter Opitz.

Quellen: Historisches Zentrum Remscheid: verschiedene Bestände Evangelischer Kirchenkreis Duisburg und Evangelisches Familienbildungswerk: Stolpersteine in Duisburg. Wir erinnern an Naziopfer und zwei Täter, Duisburg 2005, S. 41, online einsehbar unter: http://www.kirche-duisburg.de/Downloads/Stolpersteine_1.pdf (gesehen am 1.9.2019 Röll, Wolfgang: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937 – 1945. Unter Einbeziehung biographischer Skizzen, hrsg. von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Göttingen 2000 Stadtarchiv Duisburg: Bestand 506/5277 Szepansky Wolfgang: Dennoch ging ich diesen Weg, Berlin o. J. (1985) https://www.stiftung-bg.de/totenbuch/main.php (gesehen am 1.9.2019)

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