Camino Santiago: Villar Mazarife nach Astorga

Camino Santiago: Villar Mazarife nach Astorga. Eine wirklich lange Etappe mit 32 Kilometern.

Gestern sind im Laufe des frühen Nachmittags doch noch einige Pilger in der Herberge angekommen. Die Herberge und den Ort kenne ich von meinem allerersten Camino, den ich mit meiner Schwester und ihrem Mann unternommen habe. Zunächst wurde gearbeitet, sprich: der Bericht geschrieben, dann gönnte ich mir ein Bier und hervorragende Knoblauchkartoffeln.

Nun, heute also die letzte Etappe auf dem Camino Santiago 2018 bis 2020. Der Weg führte zunächst über die Landstraße nach Hospital de Obrigio, das man erreicht, indem man die 20 Bogen umfassende Brücke über den Rio Obrigio überquert. Diese Brücke steht auf römischen Fundamenten. Im 12. Jahrhundert entstand in dem Ort ein Pilgerhospital des Johanniterordens.

http://www.hospitaldeobrigios.com

In meinem gestrigen Bericht teilte ich mein Erschrecken über die Verrohung der Sprache in den sozialen Netzwerken mit. Dazu las ich gestern passend einen Beitrag von Peter Maxwill mit dem Titel “Wir schweigen die Demokratie zugrunde”. Die schweigende Mehrheit macht die Verrohung der Sprache erst möglich und sie ist es auch, die eine weitergehende Verrohung unserer Gesellschaft möglich machen würde. –

Und: es ist die schweigende Mehrheit, die die europäische Politik der Abschottung und letztlich die elenden Flüchtlingslager in Libyen möglich macht. Obwohl wir alle Fernsehbilder von diesen Lagern sehen konnten, in Printmedien und sozialen Netzwerken darüber lesen konnten. So auch gestern im Forum Wermelskirchen. – Widerholt sich Geschichte? – Wobei wir uns klar sein sollten, auch wir sind fast überall Fremde. So wie ich gerade in Spanien. – Und, in die Situation, zur Migration gezwungen zu sein, können wir schneller kommen, als uns lieb ist! Gott behüte uns davor.

Nach der verdienten Kaffeepause im Ort machte ich mich so gegen 9:20 Uhr auf den Weg nach Asorga. Noch 22 Kilometer, die zu bewältigen waren. Hinter Hospital de Obrigio führte der Camino wieder über Feldwege, besser: unbefestigte Straßen durch die hügeliger werdende Landschaft. Bei Kilometer 26 der heutigen Etappe war die erwartete, etwas alternative Kaffeebar. Hier ruhte ich mich nochmal eine Viertelstunde aus, um dann die letzten sechs Kilometer bis Astorga in Angriff zu nehmen.

Ich erreichte die Stadt nach sieben Stunden von Villar Mazarife aus und bin in die Herberge “Siervas de Maria” eingekehrt. – Die Herberge wartet mit der Besonderheit auf, dass Schüler der Podologie hier ihren Service anbieten. Dies werde ich nachher nutzen. In der Herberge traf ich Tak wieder, der etwa drei Stunden Vorsprung hatte. Wir freuten uns beide.

https://forumwk.de/2019/07/21/zwischen-guinea-libyen-und-theresienstadt/

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/streitkultur-und-demokratie-wie-wir-sie-zugrunde-schweigen-a-1261127.html

Morgen also mit dem Zug zurück nach Bilbao. Um am Donnerstag zurück zu fliegen. Zurück in den Alltag. Einen Alltag, der mir oft schwer fällt, auf den Keks geht. – Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Ich kriege meinen Alltag gut geregelt. Liebe ihn, mit Beruf, Ehrenamt und allem drum herum. Doch schwebt immer die Frage heimlich in meiner Seele: “War das alles?”

Die Tageslosung, die ich noch aus Hontanas hatte, lautet: “Das Bewußtsein des Nichtwissens ist der Anfang des Zweifels, der zur Weisheit führt” – Also, werde ich mal schauen, was dabei heraus kommt!

Die Jahresetappe des Camino Santiago hat nun sein Ende gefunden. Was bleibt? – Bleiben wird die Energie, die alle Begegnungen, waren sie auch noch so kurz, mir gegeben haben. Ich habe Menschen aus aller Welt kennen lernen dürfen. Wir haben uns gestützt, ohne zu fragen. Bleiben wird eine Ahnung, wohin mein Lebensweg mich vielleicht noch führt. – Was sicher, ganz sicher bleibt, ist die Sehnsucht Camino Santiago.

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