Intellektuell unterkomplex

Ein Einwurf von Wolfgang Horn

Gestern tagte der Stadtrat. Eine kurzer Überblick über die Tagesordnung beruhigte: es sollte eine eher beschauliche, eine Routinesitzung werden. Eine Dringlichkeitsentscheidung – zur Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Feuer- und Rettungswache – , Auflösung des Bergischen Transportverbandes, Flächennutzungspläne, Satzungsänderung, Herstellung von Erschließungsanlagen. Nun denn. Einstimmig, einstimmig, einstimmig, einstimmig. So ging das, sieben mal. Niemand wollte reden. Alle wollten entscheiden. Ohne Aussprache. Reine Routine.

Bis zum Tagesordnungspunkt 10: „Antrag von CDU, WNK UWG Freie Wähler, Bürgerforum, FDP vom 17.09.2018; Überführung der Aufgaben des Rechnungsprüfungsamtes an den Rheinisch-Bergischen Kreis“. Rechnungsprüfungsamt? Ein Rechnungsprüfungsamt ist ein Amt oder eine Behörde, das oder die die Haushalts- und Wirtschaftsführung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, in unserem Falle also einer Stadt, kontrolliert. Die Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen regelt, was das Rechnungsprüfungsamt (RPA) unternimmt und was es darf. Das RPA ist unabhängig, dem Rat unmittelbar verantwortlich und von fachlichen Weisungen frei. Ein starke Stellung in der kommunalen Verwaltung, mit keinem anderen Amt vergleichbar.

Also: Tagesordnungspunkt 10: Überführung der Aufgaben des Rechnungsprüfungsamtes an den Rheinisch-Bergischen Kreis. Vorgelegt und beantragt von CDU, Bürgerforum, FDP und WNKUWG. Unterschrieben von Christian Klicki, Henning Rehse, Manfred Schmitz-Mohr und Heinz Jürgen Manderla. Rainer Bleek verließ den Platz, von dem aus er als Verwaltungschef die Sitzungen leitet, und gab vom Saalmikrophon aus eine persönliche Erklärung auch als Dienstvorgesetzter der Verwaltungsmitarbeiter des RPA ab. Der Antrag sei befremdlich, denn bislang habe es noch kein einziges Mal (!) Kritik am Rechnungsprüfungsamt wie auch am Rechnungsprüfungsausschuß gegeben. Er sehe durch den gemeinsamen Antrag von CDU bis Bürgerforum Arbeitsplätze in der Verwaltung gefährdet, denn die gute Arbeit der Verwaltungsmitarbeiter werde durch diesen Antrag “mit Füßen getreten”. Es sei kein guter Stil, ohne irgendein Vorgespräch mit der Verwaltung und den betroffenen Mitarbeitern einen derartigen Antrag einzubringen. Er hoffe, daß die Mehrheitsfraktionen diesen Stil nicht fortsetzten und zur Kooperation zurückfänden. Frau Hiltrud Betke, Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, unterstützte in ihrem Redebeitrag die Position des Bürgermeisters.

Was dann folgte war ein, tja, wie soll man sagen? Ein Schauspiel? Nein. Dafür war es zu wenig professionell, zu täppisch, zu unbeholfen. Also, es folgte eine denkwürdig-läppische Episode, eine Posse aus der Provinz. Christian Klicki wollte den gemeinsamen Antrag flugs als Prüfantrag umverstanden wissen. Er sei überrascht von der Reaktion des Bürgermeisters. Überrascht? Daß der sich vor seine Mitarbeiter stellt, die die Mehrheitsfaktionen zuvor in den Senkel gestellt hatten? 

Heinz Jürgen Manderla, Schlachtroß der lokalen FDP, gab zwar zu, daß man vor der Formulierung eines solchen Antrages eigentlich hätte mit den beteiligten Verwaltungsmitarbeitern sprechen müssen.  Ein Einsehen, das indes durch den nachfolgenden Seitenhieb, das RPA sei verantwortlich für eine “Arbeitsverlangsamung” in der Verwaltung, eine nicht bewiesene und bislang auch noch niemals aufgestellte Behauptung in der Wermelskirchener Politik, gründlich entwertet wurde.

Oliver Platt vom Bürgerforum versuchte einzulenken mit der Formulierung, daß das RPA seine Sache bislang gut gemacht habe. Aber auch die Verwaltung müsse bereit sein, sich in Frage stellen zu lassen.

Der Stadtverordnete mit der größten Eignung zum Raufbold hielt sich gestern erstaunlich still. Henning Rehse verlor zur Causa “Rechnungsprüfungsamt” kein Wort. Henning Rehse ist eben nicht nur Raufbold, sondern auch einer von der schlaueren Sorte.

Noch einmal, zum mitschreiben: Ohne vorbereitendes Gespräch mit den hiesigen Verwaltungsmitarbeitern, ohne Sondierung mit und in der Kreisverwaltung, ob dort denn die Übernahme der Arbeiten des Wermelskirchener Rechnungsprüfungsamtes auch erwünscht ist und die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sind, stellten die Mehrheitsfraktionen den Antrag, “zum nächstmöglichen Zeitpunkt” die Aufgaben des RPA an die Kreisverwaltung zu übertragen.

Ein derartiges Vorgehen ist unredlich. Es ist intellektuell unterkomplex. In Wermelskirchen scheinen Muskelspiele konsensuales, gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen nach und nach zu ersetzen. “Ich bin aber stärker als du. Und wenn nicht, hole ich meinen großen Bruder.” Im Stadtrat scheinen diese Kindergartenüberzeugungen zur Handlungsmaxime zu werden. Schade, daß kaum zuschauende Bürger diese armselige Posse verfolgt haben. Die Parteien bekämen eine gewaltige Quittung.

Ach ja, dann gab es, auf Betreiben von SPD und Bündnis 90/Die Grünen schließlich den Versuch, eine gemeinsame Formulierung hinsichtlich eines Prüfauftrags zu finden. In einer Verhandlungspause. Da steckten dann die großen Jungs im Rat die Köpfe zusammen, während die Kleinen und die Mädchen, das Volk, ratlos umherschaute. Kommunalpolitik eben. Und: Es gab keine gemeinsame Formulierung.

Den von der CDU modifizierten Antrag, “Prüfantrag”, trugen schließlich CDU, Bürgerforum, FDP (mit zwei Stimmen), WNKUWG und AfD. Die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Bürgermeister und Die Linke sprachen sich gegen den Antrag bei einer Enthaltung von Andreas Müßener aus.

(Bilder aus dem Stadtrat, aufgenommen während der Sitzungsunterbrechung)

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Horst Walter Schenk
    • 10.10.18, 22:17 Uhr

    Hallo Herr Horn,
    Sie haben es mal wieder gut auf den Punkt gebracht. Danke.

    Kleine Randbemerkung: Es gab auch einen fraktionslosen Ratsherren (Horst Walter Schenk), der gegen den undurchdachten, in der Verfahrensweise unanständigen und mit der heißen Nadel gestrickten Antrag votierte, und so sein Mißfallen zum Ausdruck brachte.

    Der Rat ist sicher nicht nur dafür da, an die Verwaltung Streicheleinheiten zu verteilen. Wir dürfen und müssen sogar – wo es erforderlich ist – kritisieren. Und wir dürfen und sind angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen auch dazu verpflichtet Neues zu denken, neue Ideen zu diskutieren und ggf auch zu beschließen. Das ist Konsens.

    Gleichermaßen sollte aber auch der Stil, die Fairness im Umgang untereinander und in der Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Diesen guten Stil haben wir zuletzt mehrmals schmerzlich vermissen lassen.

    Frau Betke und das gesamte RPA in dieser Art – ohne vorherige Information / Kontaktaufnahme – zu brüskieren, ist nach meinem Dafürhalten ein absolutes No Go. Als Mitglied des Rates entschuldige ich mich für diesen völlig unnötigen Affront.

    Das Wischiwaschi mit dem man im Rahmen der anschließenden Diskussion einen schlechten Antrag schönreden wollte, war jämmerlich und peinlich. Die verschlimmbesserte Fassung des CDU-Fraktionsvorsitzenden hätte nach der “schulmeisterlichen” (O-Ton Bilstein) Entlarvung durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden zumindest in der geschlossenen Sinnhaftigkeit eines Antrages (ungeachtet der inhaltlichen Bewertung) noch gerettet werden können. Dazu fehlte offenbar bei einzelnen Protagonisten die Größe.

    Ich war und bin immer noch fassungslos, wie schnell wir den guten Stil und die Manieren verloren haben. Diesbezüglich Herr Horn gebe ich Ihnen Recht: “Wir schauen ratlos umher.”

    Horst Walter Schenk

    Antworten

  1. In der Tat, lieber Herr Schenk, habe ich es leider unterlassen, den Stadtverordneten Horst Walter Schenk zu erwähnen, der ebenfalls gegen den erwähnten Antrag gestimmt hatte. Mea culpa. Und auch allen anderen Argumenten Ihres Kommentars stimme ich zu.

    Vielen Dank

    Wolfgang Horn

    Antworten

    • Petra
    • 13.10.18, 13:51 Uhr

    „Intellektuell unterkomplex“ gefällt mir sehr gut! Saudumm darf man wohl auch nicht schreiben. 🙂 Denn, es ist schon saudumm, wenn man als Rat sein eigenes Kontrollgremium gegenüber der Verwaltung abschaffen will, oder?

    Oder vielleicht auch nicht?

    Schließlich hat die CDU ja mit ihren zwei CDU-Dezernenten und ihrem CDU-Kämmerer selbst Kontrolle genug in der Verwaltung. Vielleicht wollen sie deshalb den anderen Fraktionen im Rat diese beschneiden? Um ohne lästige Aufsicht schalten und walten zu können?

    Da wurde argumentiert, dass Prozesse, wie zum Beispiel Vergabeverfahren(!) verlangsamt würden durch das Rechnungsprüfungsamt, weil dieses den anderen Fachämtern zu sehr auf die Finger schaue. Gleichzeitig fragt die WNKUWG in einem ellenlangen Schreiben bei der Verwaltung an, sie möge doch beantworten, wer welche Klagemöglickeiten zum Vergabeverfahren beim Loches-Platz haben könnte. Das brodelt also durchaus immer noch.

    Da kann man sich schon fragen, ob es nicht genau diese Art der begleitenden Verfahrensprüfung ist, die das Rechnungsprüfungsamt macht, die einigen Fraktionen nicht passt, weil sie lieber zügig ihre gewünschten Vorstellungen durchboxen wollen.

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