Gehört die Banane zu Deutschland?

Den nachfolgenden Beitrag, der schon am 23. März diesen Jahres geschrieben worden ist, entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Blog von Michael Gelen, einem Wermelskirchener Blogger, als Anregung fürs Nachdenken über das geeinte Deutschland.

Von Michael Gelen

Immer wieder hört man, wie einer der mehr oder weniger eindeutig gewählten Politiker eine bestimmte Frage beantwortet: Passt der Islam zu Deutschland? Ich bin etwas erheitert aber auch allmählich gelangweilt. Daher erlaube ich mir, ein paar Gegenfragen zu stellen:

1. Wer oder was ist Deutschland?

Jeder malt einmal in diese Karte, was nach seiner Meinung zu Deutschland gehört.

Klar, Deutschland ist eine Nation, eine Volkswirtschaft, ein definierter geografischer Raum, ein gegebener politischer Raum und dabei trotzdem auch eine Föderation verschiedener Bundesländer, die wiederum teilweise mit einem Bindestrich versehen sind, was einen Hinweis in sich trägt: „Westfalen iss nich Rheinland, woll!“ Welcher Bonner möchte da einem Dortmunder widersprechen?

Deutschland – Ist es eine gemeinsame Sprache? Ist es ein Kulturraum? Wie verlaufen die Grenzen Deutschlands? Warum verlaufen sie so? Vor dem 2. Weltkrieg war das Land größer als heute und vor dem 1. Weltkrieg auch. Vor 1990 war das Land kleiner als heute. Wie sieht es wohl in 100 Jahren aus?

Die Kultur der Bayern, insbesondere im Süden des Landes ist dabei der Kultur der Österreicher recht nahe und die Ostfriesen sind in ihrer Art vielleicht den Westfriesen nicht so fremd und die sind ja Niederländer … Jedenfalls ist Schwerin nicht wie Köln und das ist auch einfach in Ordnung. Der Schwarzwälder spricht anders als der Flensburger, der ja schon hin und wieder dänisch spricht …

Wer oder was ist also Deutschland? Menschen, die von Deutschland als Land sprechen, treffen doch nur eine Annahme, dass das gegenwärtige Deutschland gemeint ist.

2. Was gehört alles zu Deutschland?

Die Kartoffel gehört zu Deutschland. Oder stammt sie von woanders? Reis? Nee, eher nicht. Bratwurst, Sauerkraut … ja, schon eher. Man könnte diese Dinge jetzt munter durch die Landschaft diskutieren, Musik, Kunst, Literatur, Oper, Theater, Film, Feierkultur (auf der Suche nach einem Wort für Oktoberfest, Schützenfest, Karneval, Feuerwehrfest) … Das aber ist nicht besonders zielführend.

Natürlich gibt es Dinge, die fest mit unserer Kultur und Geschichte verbunden sind. Es gibt sie in allen Lebensbereichen, aber es gibt auch eindeutig „Kulturimport“ und zwar ganz freiwillig. Wer möchte im Ernst auf die internationalen Einflüsse in unserer Küche verzichten? Aber, gehört Hummus, Pasta, Burger zu Deutschland? Toskana-Wein? Denk mal an Kräuter und Gewürze … da gibt es zahlreiche Lebensmittel, auf die wir nicht mehr verzichten möchten, die wir selbstverständlich konsumieren, auch solche aus dem Nahen Osten … ohne zu fragen, ob sie zu Deutschland gehören. Oder gehört die Banane zu Deutschland? Auf der Insel Meinau sollen welche wachsen, aber wir bekommen sie doch eher von woanders … Hin und wieder (ver)wünschen wir Menschen dorthin, wo der Pfeffer wächst, das ist nicht ein 17. Bundesland, nicht einmal Mallorca.

Gewürze der ganzen Welt

Wer kann sich heute noch vorstellen, dass Fußball einmal verpönt war … ja und zwar in Deutschland. Dinge haben sich eingebürgert, teilweise über Jahrzehnte. Sportarten, Kultureinflüsse, der „Wiener Walzer“ wurde nicht in Saarbrücken erfunden (btw: wer hat sich eigentliche diesen Ententanz einfallen lassen?), kulinarische Einflüsse, technische Errungenschaften … Ein Leben mit nur typisch deutschen „Zutaten“ kann sich doch niemand vorstellen …

Wir Deutschen sind eine Exportnation. Wir verfrachten unsere Güter in die ganze Welt und wir leben davon. Ausgesprochen gut sogar! Als einer der „Exportmeister“ sind wir auf die Offenheit anderer Länder geradezu angewiesen. Natürlich müssen die unsere Autos mögen und sie sollten sich niemals die Frage stellen: „Gehört der Mercedes zu Marokko?“.

3. Und wer sollte darüber befinden, was alles zu Deutschland gehört?

Die Regierung? Der Bundestag? Der Präsident? Volksbefragung? Komm schon, das ist doch absurd! Welches sind die Kriterien? Welches ist die rechtliche Grundlage? Gehört mir überhaupt ein Stück Deutschland, das ich jemand anders vorenhalten könnte? Selbst das Land, welches ich zum Leben und Wohnen erworben habe, habe ich nur erworben vor dem Hintergrund geltenden Rechts … jemand hat es sich einmal angeeignet, einfach so. Denn das Land ist älter als seine Bewohner und es ist Gottes Land. Er hat es geschaffen. Wer das nicht glaubt, der muss zumindest zugestehen, dass es existierte und einmal ein Mensch „zugegriffen“ haben muss.

4. Der Islam, was ist das?

Ich glaube an Jesus Christus und gehöre zur Evangelischen Kirche. Wäre ich 30 km südlich geboren, glaubte ich vielleicht ebenfalls an Jesus, allerdings wäre ich römisch-katholisch. Hätten meine Eltern in Saudi-Arabien gelebt, ich wäre mit einer ziemlich großen Wahrscheinlichkeit Moslem. In Kalkutta wäre es wiederum eine andere Religion geworden, wahrscheinlich Hindu. Käme ich aus Südamerika, wäre ich jetzt stolz auf „unseren Papst“ Franziskus (Stichwort „Wir sind Papst“) …

Die vorherrschende Religion in Zentraleuropa ist im historischen Kontext als christlich oder besser jüdisch-christlich zu bezeichnen. Allerdings haben die Osmanen hin und wieder den einen oder anderen Fuß in diese Region gestellt … Die Welt ist rund und in Bewegung. Völkerwanderung. Der eine bringt dies mit, der andere jenes … Und analytisch denkende Menschen stellen hier vielleicht noch eine Frage: Wie christlich ist Deutschland noch? Angesichts einer schwindenden Mitgliedschaft in den großen Kirchen darf man mal zu rechnen beginnen.

Aber, was ist jetzt, gehört der Islam…?

Nun, ich habe nicht Islamwissenschaft studiert, aber ich habe mich in gewisser Weise mit der Entstehung der Religion auseinander gesetzt und kann zumindest so viel fragen:

Der Islam, welcher? Was bedeutet der Islam? Was bedeutet christlich? Komm schon, wir werden nicht fertig mit dieser Fragestellung und die gescheite(rte)n Politiker werden es auch nicht. Es gibt die evangelischen Christen in diversen Arten (die freikirchlichen mit eingerechnet, wird das eine nette Aufzählung). Es gibt die römisch-katholischen Christen, die russisch-orthodoxen, die griechisch-orthodoxen …

Es gibt den sunnitischen, den schiitischen Islam, es gibt Suren aus Medina und Suren aus Mekka, es gibt das Verständnis der einen Gruppe und das der anderen. Selbst unter den Extremisten gehen die Auffassungen auseinander … und es gibt den türkischen Gemüsehändler, der mir Pepperoni verkaufen möchte, genauso wie sein deutscher Kollege gegenüber … Die Frage ist abschließend nicht zu beantworten.

Wikipedia sagt: „Der Islam ist eine monotheistische Religion, die im frühen 7. Jahrhundert n. Chr. in Arabien durch Mohammed gestiftet wurd. Mit über 1,8 Milliarden Anhängern ist der Islam nach dem Christentum (ca. 2,2 Millarden Anhänger) heute die zweitgrößte Weltreligion.“ So viel ist klar, man kann nicht einfach so darüber hinweg sehen …

Und wir so in unseren menschlichen Niederungen weit weg von Berlin…

Natürlich ist das alles nicht unkompliziert. Aber, das ist der menschliche Körper auch nicht. Wie sollten gesellschaftliche Zusammenhänge oder gar interkulturelle Zusammenhänge so simpel sein?! Natürlich kann es problematisch werden, wenn abweichende Vorstellungen darüber, wie die Dinge zu sein haben, aufeinander treffen.

In meiner kleinen Vorstellungswelt – ob ich ihre Religion besonders mag oder eben nicht mag – geht es zuerst um Menschen. Menschen, die ihre Herkunft und Geschichte haben, die ihre Sorgen und Nöte haben, Menschen, die dieses oder jenes erlebt oder erlitten haben, und Menschen, die für sich und ihre Familie (sofern sie eine haben und diese auch mitbringen durften, ist ja nicht unumstritten) vor allem eine Zukunft wünschen, Hoffnung suchen und schlichtweg in Sicherheit leben wollen. Auch Menschen, die sich einfach nach einem besseren Leben als in ihrem Geburstort sehnen. Btw: Menschen, mit denen ich häufig nicht tauschen wollte.

Jedenfalls Menschen. Und ich Mensch stehe nicht über Dir Mensch! Selbst wenn es angesichts der Wohlstandsverteilung so aussehen mag. So lehrt es mich auch meine Bibel: Gottes Liebe gilt allen Menschen gleich!

Und jetzt…?

Der Rheinländer sagt „lävve un lävve losse“ (leben und leben lassen). Das finde ich als Antwort auf die inzwischen zu oft zitierte Frage gar nicht mal unpassend. Dazu ein Kölsch oder einen schwarzen Tee … Mensch, wenn wir uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen, kann eine tolle Zeit anbrechen.

Leider wäre das eine Illusion, auch wenn John Lennon damals so lieblich darüber gesungen hat. Menschen, die sich nicht an Gesetze halten, gibt es hier und dort. Natürlich ist es auch so, dass religiöse Vorstellungen auseinander gehen … Dies sollte jedoch unter keinen Umständen rechtfertigen, sich über Leib, Seele und Leben anderer hinwegzusetzen und jemandem Schaden zuzufügen …

Gewalt, Attentate, Mord, Pogrome, wie auch immer motiviert, sie sind zu verurteilen und im Rahmen der Gesetze zu verfolgen und zu bestrafen. Als Tätervolk im Nationalsozialismus sind wir mit diesem Thema bedauerlicherweise vertraut und haben die Pflicht geerbt, darauf aufzupassen, dass Vernichtung einer Gruppe Menschen nicht mehr geschieht.

Dass an dieser Stelle in der jüngeren Vergangenheit weltweit Muslime von sich reden machten, ist natürlich traurig und findet bei mir nur Unverständnis. Vielleicht ist dies ein Indikator für Probleme innerhalb der Religion bzw. bei den Anhängern der Religion.

Sicher ist es Wasser auf die Mühlen derer, die versuchen, Unterschiede zwischen Menschen aufzurichten, zu unterstreichen und damit die Gräben zu vertiefen.

Im Ergebnis kann die Eingangsfrage aber nicht anders als ‚populistisch‘ bezeichnet werden. Vielleicht taugt sie, um Wähler aus dem rechten Lager in die (rechte) Mitte zu ziehen, vielleicht taugt sie dazu, Schlagzeilen zu machen, sich als mutiger Politiker zu positionieren, der sich nicht scheut, unbequeme Themen anzusprechen.

Sicher taugt sie nicht, um eine komplexe Realität zu verstehen. Ein Politiker, noch dazu ein Minister oder Kanzler, der sorgfältig, treu und verantwortlich seiner Arbeit nachkommen möchte, stellt diese Frage nicht!

Wie wäre es, Herr Seehofer, wenn Sie ihr „Heimatmuseum“ schließen würden und für ein paar Tage Urlaub machten, besuchen Sie Menschen in dieser und jener Situation. Wenn Ihr Kollege Herr Spahn es einrichten könnte, nehmen Sie ihn einfach mit. „Reisen bildet“, heißt es und einen Bildungsauftrag nehmen wir ja alle mehr oder weniger konsequent wahr …

Fahren wir doch mal in die Unterkünfte der Flüchtlinge, erkundigen wir uns nach ihren Geschichten und Erlebnisse, begleiten Sie auf dem Weg durch unsere Behörden … glücklicherweise gibt es Menschen, die das regelmäßig tun.

Sprechen wir einmal mit ganz normalen Menschen, die versuchen, durch Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen … Wir werden überrascht sein, wie beschwerlich das ist. Und wie sehr man in der Gefahr steht, an Würde zu verlieren, wenn die Arbeit nicht gut bezahlt wird …

Oder fahren wir mal in ein Land, in dem wir die Sprache weder sprechen noch verstehen können. Fragen wir dort einfach mal nach dem Weg und schauen, was dann passiert.

Um es vorweg zu nehmen, es passiert nichts! Wir verstehen kein Wort und wissen nicht, wo wir herfahren/gehen müssen, es sei denn, es kommt uns jemand zu Hilfe.

Und das mit der Hilfe, so sagt es mir „mein persönliches Christliches Abendland“ jenseits jeglicher PEGIDA, wäre wohl mein Job. Helfen, teilen, dienen, dem anderen das Evangelium predigen, wenn es nötig sein sollte, auch mit Worten (sagte wohl Franz von Assisi einst).

Letztlich geht es nicht so sehr um unsinnige Fragen, sondern darum, ob ich heute den Menschen erkenne, dem ich helfen kann.

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