„Die Partisanen – Krieg hinter der Front“ . Von Artem Demenok und Andreas Christoph Schmidt (RBB, Di 28.06.2016, 00.15-01.00)

Von Fritz Wolf

Eine wenig erzählte Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg: die Geschichte der Partisanen in Russland, Weissrussland und der Ukraine. Mit ihr verbinden sich Mythen und propagandistische Behauptungen. Ein Film wie eine Richtigstellung. (RBB, Di 28.06.2016, 00.15-01.00) 

Im April 1943 verübte die Deutsche Wehrmacht im weißrussischen Minsk eine große Razzia. Die Nazis nannten sie zynisch „Zauberflöte“ und machten nicht nur Jagd auf Partisanen und Saboteure, sondern auch nach jungen Männern, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurden. Lakonisch vermerkt der Film-Kommentar dazu „Einen größeren Gefallen hätten die Deutschen der Partisanenbewegung nicht tun können“. Die Reihen der Widerständler, die hinter der Front gegen die deutsche Besatzung kämpften, füllten sich rasch.

Denn bis dahin war der Partisanenkrieg keineswegs noch groß entwickelt, jedenfalls in Russland. So erzählen es Artem Demenok und Andreas Christoph Schmidt in ihrem Film „Die Partisanen – Krieg hinter der Front“.. Es geht den Autoren nur im die Partisanenbewegung in Russland, der Ukraine und Weissrussland und um die Mythen und propagandistischen Behauptungen, die sich mit ihr verbinden, auf allen Seiten.

Das zeigt schon die Eingangszene. Wir sehen Bilder von jungen Ukrainern, die hingerichtet werden, um den Hals ein Schild, sie seien Partisanen. Sie wollten aber nur Kriegsgefangene aus einem Lazarett schmuggeln. Der Filmtext kommentiert: „Die deutschen Besatzer machen Partisanen aus ihnen. Partisanen sind auszurotten.“ Ein Wechselspiel der Entwicklung. Anfangs war der Widerstand gegen die deutsche Besatzung in der Bevölkerung nur gering. Teilweise wurden die Besatzer sogar begrüßt. Schon bald nach dem Überfall auf die Sowjetunion hatte Stalin zu einer Partisanenbewegung aufgerufen, aber die kam kaum in Gang.

Die Nazis dagegen griffen den Aufruf sofort auf, von Hitler wird das Zitat überliefert , das gäbe ihm die „Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt“. Die Nazis nannten die Partisanen Banditen und ihre Bekämpfung Bandenkampf. Militärisch aber waren die Partisanen lange nicht von Bedeutung. Zunächst handelte es sich um Gruppen versprengter Rotarmisten, die kaum zusammenarbeiten und in ihren Aktionen auch von Moskau nicht kontrolliert werden konnten. Es dauerte fast ein Jahr, bis die Moskauer Zentralregierung hier die Kontrolle errang.

Auch in der Bevölkerung waren die Partisanen nicht unbedingt angesehen, weil sie Vergeltungsaktionen von Wehrmacht und SS nach sich zogen. Außerdem richteten sich Partisanenaktionen auch gegen echte oder vermeintliche Kollaborateure im Land. „Man spürt Stalins Atem: Überall Verräter und Feinde“ kommentieren die Autoren. Mit dem Verlauf des Krieges wuchs dann auch die Bedeutung der Partisanen.

Der Film ist also auch eine Art Richtigstellung, eine Entzauberung des Heldenmythos, den die sowjetische Propaganda der Partisanenbewegung anheftete. Der Film Illustriert das auch mit einzelnen Geschichten wie etwa der von Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja. Sie war als 18-jährige von der Jugendbewegung der Sowjets, den Komsomolzen, zu den Partisanen begangen und wurde bei ihrem dritten Einsatz gefangen genommen. Sie wollte in einem von Deutschen besetzten Dort eine Scheune anzünden. Sie wurde öffentlich gehängt, ihr Leichnam blieb zur Abschreckung lange liegen. Die sowjetische Propaganda stilisierte sie zu einer Art sowjetischer Jeanne d’Arc. Verraten wurde sie freilich von den Dorfbewohnern selbst.

Der Film kann die wahre Geschichte von Soja auch deshalb erzählen, weil er über sehr gutes dokumentarisches Material verfügt. Es existieren Fotos von der Hinrichtung, ein Wehrmachtssoldat hatte sie aufgehoben, es gibt den Propagandafilm und die Autoren haben auch noch eine Augenzeugin finden können, die wie Soja bei den Partisanen kämpfte, sie auch persönlich kannte. Der bittere Kommentar des Films dazu: „Die jugendlichen Saboteure wurden Helden, wenn sie umgekommen waren. Sie wurde keine Heldin, weil sie überlebte.“

Der Umgang mit dem dokumentarischen Material ist das große Plus dieses Films. Er ist ganz von den Bildern her konzipiert und erzählt, und er bringt Filmaufnahmen und Fotos, die man noch nie gesehen hat. Dahinter steckt offenbar großer Archivfleiß. Und das überzeugende Material wird eben nicht illustrativ genutzt, sondern ernst genommen: an ihm lässt sich etwas sehen und erkennen.

So zum Beispiel die wahrscheinlich ersten Bilder eines Partisanenlagers in den Wäldern aus dem Spätsommer 1941. Die Autoren nehmen Bilder auch nicht als bare Münze, sie ordnen ein und interpretieren. Den wahrscheinlich ungestellten Szenen aus dem ersten Partisanenlager entlocken sie Hinweise: die Männer tragen Anzüge, also sind sie keine Bauern. Sie werden hastig eingewiesen in den Gebrauch von Revolvern und sind auf den Winter nicht vorbereitet. Die meisten werden ihn auch nicht überleben. Anderen Bildern wiederum sieht man die propagandistische Herkunft an – die Autoren weisen darauf hin. Zum Beispiel in einem kleinen Filmausschnitt, der die Hinrichtung eines angeblichen Kollaborateurs durch Partisanenverbände zeigt – diese Hinrichtung wird auf gespenstische Weise für die Kamera noch zweimal wiederholt.

Den beiden Autoren ist es auch gelungen, interessante Zeitzeugen zu finden. So zum Beispiel den Frontkameramann Semjon Schkolnikow, der 1942 hinter der feindlichen Linie abgesetzt wurde, um einen Partisanenüberfall auf einen deutschen Transportzug zu filmen. Er kann aus dem Heute heraus seine Bilder kommentieren. Einen der Partisanen hatte er damals aufgefordert, auf einen Tankwagen zu schießen, in der Hoffnung, der würde explodieren – dies wären sehr geeignete Bilder gewesen, den so genannten „Schienenkrieg“ der Partisanen zu zeigen. Der Tankwagen explodierte nicht. „Niemand hat je von Gefahr gesprochen“, sagt Schkolnikow, „ Wir wussten nur das eine: Wir mussten drehen, drehen, drehen.“

Hier freilich wird auch ein Dilemma sichtbar, das entsteht, wenn man ganz von den Bildern und viel ganz vom Einzelfall her erzählt: der „Schienenkrieg“ wird in seinem Umfang und seiner militärischen Wirkung, also in seinen Dimensionen nicht sichtbar. Das gilt eigentlich auch für die Dimension des Partisanenkriegs im Ganzen, die man als Zuschauer hinterher nicht so richtig einschätzen kann. War er nun militärisch wichtig oder nicht? Hat er sich im Verlauf des Krieges verändert, in welche Richtung. Hat er den Verlauf des Krieges selbst verändert? Hier könnte der Film auch etwas mehr Offenheit vertragen. Unter Historikern ist die Einschätzung des Partisanenkriegs insgesamt bis heute umstritten. Trotz dieser Einschränkungen ist das ein nicht nur historisch höchst verdienstvoller, sondern auch an Erkenntnissen und überraschenden Einsichten reicher Film.

www.wolfsiehtfern.de

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