Peter Rüchel: Rockpalast. Eine Lesung mit Bildern. Und Musik. Gestern Abend im Film-Eck.

fullsizeoutput_2355Am rechten Rand der Bühne ein älterer Herr, 79, schlohweiß-schulterlanges Haar, hinter einem kleinen, mit schwarzem Molton abgedeckten Tischchen, nur spärlich beleuchtet von einer kleinen Funzel. Der Rest  der Bühne ist Spielplatz der Band, 78Twins. Schlagzeug, davor ein Keyboard, vier Mikrophonständer, Verstärker. Hinter dem ganzen eine große Projektionsfläche. Für Fotos, Plakate, orientierende Zwischenüberschriften.

So das Szenario gestern Abend im Film-Eck. Dem Kulturtempel, in dem nicht nur Mainstreamfilme zu sehen sind, sondern auch die anspruchsvollen Werke des Kirchenkinos, wo das Theater  beheimatet ist, das Traumkino für die Senioren stattfindet, wo Liebe zum Film und zur Kultur an jeder Stelle spürbar, fühlbar, sichtbar ist.

rockpalast_lichtzug_imgp4797_smial_wpDie Kulturinitiative Wermelskirchen hatte eingeladen. Zu Peter Rüchel: Rockpalast. Eine Lesung mit Bildern. Und Musik. Zu Livemusik und erzählten Geschichten, zu Kino im Kopf und im Ohr, zum Ritt jedes einzelnen Zuschauers, Zuhörers in die eigene Geschichte, die eigene Jugend, die eigene Fernsehnutzung, die persönliche Bedeutung von Musik im Fernsehen. Kurzum: zu Peter Rüchel. Und viele kamen. Das Film-Eck war voll. Nur ganz wenige Plätze blieben leer.

Vor Peter Rüchel aber heizt die Band ein. 78Twins. Come Together. Geile Musik. Und ein Motto. Hier wird nicht nur über Musik geredet, hier wird sie auch gemacht und gehört. Ein tolles Konzept. Und eine prima Band. Covermusik und eigene Stücke. Oft mit Bezug auf die Geschichten des ehemaligen Fernsehredakteurs.

fullsizeoutput_2357Dann Peter Rüchel, Erfinder des Rockpalast, der Liverockmusik im deutschen Fernsehen, jener Events, die wir seinerzeit, in den Siebzigern und später, gemeinsam mit Freunden hörten und sahen, auf Parties, nächtens, bis in den frühen Morgen hinein. Trunken von Musik, Alkohol, Qualm, was auch immer. Peter Rüchel ist, war nicht nur ein begnadeter Programmmacher, er  ist ein ebenso talentierter Geschichtenerzähler, ein überzeugender Märchenonkel.

Von den Anfängen des Programms ist zu hören. In den frühen Siebzigern. Als die die Idee einer Arbeitsnacht von Rüchel mit seinem Regisseur und Mitstreiter Christian Wagner von den Hierarchen im Sender einfach durchgewinkt wurde, ohne Widerstand, ohne Erbsenzählerei, ohne Quotendebatten. Die kamen erst später, in den neunziger Jahren. Von der ersten Rockpalastnacht in der Essener Grugahalle am 23. Juli 1977 wird erzählt. Mit Rory Gallagher, Little Feat sowie Roger McGuinns Thunderbyrd. Rüchel plaudert, spannend und kenntnisreich. Und immer voller Wärme für all die Künstler, Manager, Anwälte, Veranstalter, für die Agenten und Musiker. Mit vielen hat er eine lebenslange Freundschaft geschlossen.
Nichts wird ausgelassen in den packenden Geschichten. Weder der berühmt-berüchtigte Rockpalaststandardsatz “German Television proudly presents …”, noch der beinahe am Alkohol gescheiterte Auftritt von Mitch Ryder oder der Skandalgig von Red Hot Chili Pepper, die ihr Konzert beendeten mit nichts als langen Socken, die die kürzeren Penisse der Musikanten jedenfalls vollständig bedecken konnten. Von Patti Smith ist die Rede, von den Who, von Prince. Und, natürlich, von den jahrelangen Bemühungen um den Boss, Bruce Springsteen. Vom Leader der E Street Band, der nie in eine der Rocknächte des Rockpalast gelockt werden konnte.

Peter Rüchel kennt alle Bandbesetzungen, erinnert sich an fast alle Playlists der einzelnen Sendungen, zitiert freihändig interessante Textstellen, plaudert aus, wie er die Künstler und Bands umworben, eingenommen hat, berichtet vonfullsizeoutput_2359 den Erlebnissen an Hotelbars, von Nickligkeiten zwischen einzelnen Künstlern, von Eigenheiten und Animositäten, auch von Skurrilem. Immer aber mit großer Liebe zu all denen, mit denen er im Laufe der Jahre zu tun hatte. Und mit spürbarer Achtung seinen Vorgesetzten und seiner Anstalt gegenüber, dem WDR, die ihn und sein Projekt gefördert haben oder ihn zumindest haben machen lassen. Fernsehen, als es noch ausprobieren, auch noch Fehler machen durfte, als noch nicht alles dem Quotendiktat unterworfen war. Wie gesagt, ein Geschichtenonkel, im allerbesten Wortsinn.

Ein toller Abend. Zwei Stunden sollte er dauern, dreieinhalb sind es geworden. Weil Peter Rüchel ein offenbar unerschöpfliches Reservoir an Geschichten hat, weil die Musik so gut war, weil man im Film-Eck an der Bar trinken und tanzen konnte. Ein rundum gelungenes Programm. Musik und Geschichten und interessante Köpfe.

13268599_1039476289475650_5403463715365347781_oMein Fazit: Das Film-Eck, also Christel und Klaus Schiffler, sollten weiterhin beherzt mit der Kulturinitiative, allen voran Michael Dierks, gemeinsame Sache machen. Rock-Musik im Kino, das habe ich vor vierzig bis fünfzig Jahren gehört. Es war mal wieder Zeit. Danke.

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